Psychotherapeutische Praxis Dr Roberto Tannchen

 

“Mögen hätten wir schon gewollt, aber dürfen haben wir uns nicht getraut.” (Karl Valentin) - 10, December 2008



Dieses Zitat veranschaulicht meiner Meinung nach sehr gut die neurotische Problematik, mit der ich in meiner psychotherapeutischen Praxis tagtäglich konfrontiert werde. Es handelt von einer als menschliche Tragödie empfundenen, inneren Zerrissenheit, die aber zur menschlichen Natur dazugehört. Im Folgenden werde ich dieses Zitat etwas genauer betrachten:

“Mögen” bezeichnet die Lust, die Triebhaftigkeit, das Kindliche, die Bindung an das Leben. In “hätten” sehe ich etwas, was in der Vergangenheit hätte sein sollen, in der Gegenwart aber nicht existiert. Es spricht damit eine Sehnsucht des Menschen an. “Wir” - anstelle von ich - dient der Verallgemeinerung der Aussage und bezieht den Leser des Zitates in den Gedanken mit ein. “Schon” spiegelt ein Zugeständnis wider; “gewollt” das Ausleben des “Mögens”, also der Lust. Das darauf folgende “aber” macht eine Einschränkung; es ist Ausdruck einer Begrenzung im Sinne eines “Sich seines eigenen Glückes im Wege stehen”. “Dürfen” beschreibt die innere Zerrissenheit zwischen sozialer Anpassung einerseits und der Lust, seinen Wünschen und Bedürfnissen nachzugeben andererseits. Schlussendlich wird mit der Formulierung “getraut” der Mut angesprochen, zu seiner Lust, seinen Wünschen und Bedürfnissen - kurz: zu seinem Leben - zu stehen. Das Zitat spiegelt damit gleichzeitig die Folgen des Preises der Entfremdung wider.

Für den Hinweis auf dieses Zitat bedanke ich mich bei dem Mann der Hoffnung.