Psychotherapeutische Praxis Dr Roberto Tannchen

 

Buchempfehlung »Liebe mit offenen Augen« von Jorge Bucay - 28, December 2016

(mit freundlicher Genehmigung des Verlages)

Manchmal begegnet man Büchern, die einem aus dem Herzen sprechen oder in denen man sich mit seinen bisherigen privaten und beruflichen Lebenserfahrungen wiederfindet. So ging es mir bei der Lektüre des Buches »Liebe mit offenen Augen« von Jorge Bucay. Dieses Buch gibt viele Anstöße zu Reflektionen über die eigene Person sowie das Wesen der Liebe und das partnerschaftlicher Beziehungen. Darüber hinaus gibt es viele Einblicke in paartherapeutische Ansätze. Da dieses Buch vieler mei-ner Gedanken und Erfahrungen aus meinem privaten und beruflichen Leben als Einzel- und Paarpsychotherapeut widerspiegelt, möchte ich – neben einer kurzen allgemeinen Buchbeschreibung – einige Gedanken aus diesem Buch in Form von Textzitaten mit Ihnen teilen. Ich freue mich, wenn ich damit Ihr Interesse zum Weiterlesen und zur Reflektion über Liebe und Partnerschaft wecken konnte.

Laura und Fredy (Alfredo), zwei Gestalt- und Paartherapeuten, tauschen sich per Email über ein Buchprojekt zum Thema Paarbeziehungen aus, das sie gemeinsam in Angriff genommen haben. Von Fredy zunächst unbemerkt, erreichen Lauras Nachrichten nicht ihn, sondern den Marketingexperten Roberto, der sich in seiner Beziehung mit Freundin Cristina in einer Sackgasse befindet. Anfänglich löscht er die versehentlich erhaltenen Nachrichten ohne darauf zu antworten, aber auch ohne den Irrtum aufzudecken. So kann er wenig später, als er sich und Cristina in Lauras Ausführungen über die Schwierigkeiten in Liebe und Paarbeziehungen wieder erkennt, doch noch in Fredy’s Rolle schlüpfen, und in dessen Namen auf Lauras E-Mails antworten. Roberto fühlt sich durch den Austausch mit Laura – sie setzen sich u.a. mit Theorien und Denkansätzen von Erich Fromm und Antoine de Saint-Èxupèry auseinander und thematisieren psychodynamische Vorgänge in gestörten Paarbeziehungen – für seine eigene Beziehung inspiriert, lernt, wie Partnerschaften gelingen können und welche Gründe immer wieder dazu führen, dass sie misslingen. Die Anregungen, die er von Laura erhält, zeigen uns, den Lesern, auch, dass eine moderne Partnerschaft in unterschiedlichsten Formen gelebt werden kann: als Ehe, Romanze oder Verbindung im Internet.

»Wenn sich Menschen mit Beziehungsschwierigkeiten konfrontiert sehen, neigen sie dazu, diese ihrem Partner, ihrer Partnerin anzulasten. Sie spüren sehr deutlich, inwiefern sich der andere ändern müsste, damit die Beziehung funktionierte, während es ihnen äußerst schwer fällt, den eigenen Anteil an der Entstehung des Problems zu erkennen.«

»Vielen Menschen fällt es schwer, zu formulieren, was in ihnen vorgeht, was sie brauchen oder empfinden. Immer wollen alle bloß über den anderen reden.«

»Deshalb sollte man sich bei Auseinandersetzungen in der Beziehung als erstes klarmachen, dass manche Strecken auf dem Weg der Liebe holprig sind. Eine intime Beziehung ohne Konflikte gibt es nicht. Der Ausweg besteht darin, die Phantasie vom idealen Paar, das keine Konflikte kennt und unentwegt verliebt ist, ad acta zu legen. Es ist verblüffend, wie sehr die Leute diesem Ideal nachhängen.«

Wir sollten Konflikte als einen Weg begreifen, »auf dem ich meine Schranken überwinden und mich so dem anderen nähern kann, darüber hinaus aber auch als einen Weg, auf dem ich meinem Gefährten begegne – was dann natürlich auch zum Wandel in der Begegnung mit mir selbst führen wird. Eine Paarbeziehung trägt zu unserer persönlichen Entfaltung bei, hilft uns, an unseren menschlichen Qualitäten zu feilen, uns selbst besser kennen zu lernen.«

»Die Paarbeziehung rettet uns vor nichts. Sie darf uns vor nichts retten. Viele Menschen suchen ihren Partner, um auf diese Weise ihre Probleme zu lösen. Sie glauben, dass eine intime Beziehung sie von ihren Ängsten, ihrer Langeweile, ihrem Gefühl der Sinnlosigkeit heilen wird. Sie hoffen, dass ein Partner die Lücken in der eigenen Persönlichkeit stopft.«

Ich muss mein eigenes Leben meistern, ohne die Erwartung, dass jemand dies für mich erledigt. Das bedeutet aber auch: »ich sollte nicht versuchen, das Leben eines anderen zu meistern, sondern das Zusammensein mit dem anderen als ein gemeinsames Projekt zu meistern, das dazu dient, dass es uns gut geht, wir aneinander wachsen, uns miteinander vergnügen – aber nicht dazu, dass der andere meine Schwierigkeiten beseitigt.«

»Darin eben liegt der Sinn des Paares: nicht in der Rettung, sondern in der Begegnung. Oder, besser gesagt, in den Begegnungen. Ich begegne Dir. Du mir. Ich mir. Du Dir. Wir den anderen Menschen.«

»Der beste, genauste und grausamste Spiegel ist der der Paarbindung: Es ist die einzige Bindung, in der mir aus größter Nähe meine schlechtesten und meine besten Eigenschaften widergespiegelt werden können«

»Ein großer Teil der paartherapeutischen Arbeit besteht darin, beiden Individuen dabei zu helfen, stets mit dem verbunden zu bleiben, was in ihnen individuell vorgeht, und sich nicht damit aufhalten, über den anderen herzuziehen.«

»Wenn sie hierher kommen, sind sie meist voller Groll und voller unausgesprochener Vorbehalte und der Therapeut soll es ihnen ermöglichen, sich ungezwungener zu verhalten, zu äußern, was auszusprechen ihnen Angst macht, ihren Schmerz zu zeigen.«

»Eines der Therapieziele besteht darin, dass es zu einer Begegnung kommt.«

»So gesehen, sind Konflikte eine Möglichkeit, mich selbst zu entdecken, kennen zu lernen, sensibel dafür zu werden, was in mir vorgeht – also aus ihnen zu lernen. Paare kommen in die Beratung, weil sie das Gegenteil tun. Jedesmal, wenn ein Konflikt in der Beziehung auftritt, beginnt der eine den anderen zu interpretieren oder ihm zu sagen, was er zu tun hätte, und ihn für das ganze Ungemach verantwortlich zu machen.«

»Es gilt, die Verantwortung für das eigene Leben zurückzugewinnen«

»Im Zustand des Verliebtseins empfinden wir Freude, weil wissen, dass es den anderen gibt. Wir sind erfüllt von der keineswegs alltäglichen Empfindung vollkommener Zufriedenheit.«

»Wenn man sich verliebt, sieht man in Wirklichkeit den anderen nicht in seiner Totalität; vielmehr funktioniert der andere wie ein Bildschirm, auf den der Verliebte seine idealisierten Eigenschaften projiziert.«

»Die Gestaltung der Liebe beginnt, wenn ich denjenigen, den ich vor mir habe, zu erkennen vermag, wenn ich den anderen entdecke. Genau da tritt die Liebe an die Stelle der Verliebtheit.«

»Liebe meint, dass „uns das Wohlbefinden des anderen wichtig ist“. Nicht mehr und nicht weniger. Liebe als ein Wohlbefinden, das Körper und Seele überkommt und sich ausbreitet, sobald ich den anderen sehen kann, ohne ihn ändern zu wollen.«

»Verliebtsein ist eine Beziehung zu mir selbst, auch wenn ich mir dafür eine bestimmte Person als Projektionsfläche für meine Empfindungen ausgesucht habe.«

»Ich denke, dass Beziehungen Momenten des Verliebtseins, der Liebe und des Hasses ausgesetzt sind. In der Realität liegen Liebe und Hass sehr nahe beieinander. Niemand können wir so hassen wie den, den wir lieben.«

»Sich verlieben heißt, die Übereinstimmungen zu lieben, und lieben, sich in die Unterschiede zu verlieben.«

»Liebe hingegen ist ein vernünftiges und mühsames Unterfangen. Es ist dauerhafter und weniger turbulent, aber man muss hart arbeiten, damit es Bestand hat.«

»Die erste These unseres Beratungskonzepts lautet, dass Paarprobleme aus individuellen Problemen resultieren, die in der Beziehung zum Ausdruck kommen.«

»Wenn Dich eine bestimmte Situation ärgert, dann deshalb, weil sich in dem Konflikt ein individuelles Problem spiegelt.«

»Ich projiziere auf den anderen jene Anteile von mir, die im am stärksten in mir ablehne. Wenn ich bemerke, wie sehr mich etwas am anderen stört, untersuche ich, inwiefern es an mir selbst stört.«

»Ich höre auf, den anderen laufend zu beschuldigen, und beginne, meinen Anteil an dem jeweiligen Konflikt zu sehen. Statt meine Energie darauf zu verwenden, den anderen umkrempeln zu wollen, nutze ich sie, um mich selbst zu beobachten und mich anschließend dem anderen mitzuteilen – ihm mitzuteilen, was ich benötige und was sein Verhalten bei mir auslöst. Meinem Partner wird dadurch das Zuhören wesentlich erleichtert.«

»Paare trennen sich aus dem gleichen Grund, aus dem sie sich zusammentun.«